Die Weitreitergilde

Interview mit Manfred Schulze

Weltumreiter und -fahrer: 17000 Kilometer in 4 1/2 Jahren

Interview dk, Februar 2002, Fotos BS 2001

 

Die Weitreitergilde:

Manfred, wir haben Deine einzigartige Weltumrundung schon lange durch Artikel in der Presse verfolgt. Aber, was dort eigentlich nie stand: Was war die Motivation für Dich, sich den vielen unbekannten Gefahren und Strapazen auszusetzen?

Manfred Schulze:

Meine eigentliche Motivation war ein Traum aus der Jugendzeit: Ein Mann mit seinem Pferd auf Wanderschaft - vielleicht sogar über Ländergrenzen? Dieser Traum hat mich nie losgelassen. Doch mein Leben mit Familie und Geschäft ließ mir nie Zeit, den Traum zu verwirklichen. Erst, als ich glaubte, das Geschäft könnte mich für längere Zeit entbehren, wurde ich ungeduldig und drängte nun, ihn zu verwirklichen. Als 1989/90 die Auflösung der Sowjetunion erfolgte und die Grenzen im Osten durchlässiger wurden, kam mir bei sonntäglichen Spaziergängen die Idee der Weltumrundung.

Nun müßte dies doch möglich sein - auf der nördlichen Halbkugel. Auf den Breitengraden, die sicherlich genug Wasser und Futter für die Pferde bereithielten. Aber dies alles bringt einen verantwortungsvollen Menschen natürlich noch nicht auf den Weg ins Ungewisse und natürlich auf lebensgefährliche Wege. Verschiedene Probleme zuhause, über die ich nicht sprechen möchte, gaben dann den Ausschlag und schubsten mich regelrecht auf den Weg. Viele Leute wollten mich davon abbringen. Weil das nicht mehr gelingen konnte, nahmen nicht wenige Abschied für immer. Sie glaubten nicht, daß sie mich je wiedersehen würden. Mir war es egal. Ein Zurück konnte es nicht mehr geben. Zeitweilig fühlte ich mich wie ein Soldat, der an die Front muß - mit vielleicht 50% Überlebenschance.

Die Weitreitergilde:

Du hattest doch bis zu Deiner Weltumrundung keine eigenen Pferde. Warum wolltest Du die Weltumrundung ausgerechnet mit Pferden machen? Mit einem Motorrad wäre das doch sicher einfacher gewesen!

Manfred Schulze:

Nein, ich hatte nie eigene. In der Jugend war ich zweieinhalb Jahre beim Reitsport. Springreiten und Moderner Fünfkampf. Und ich wuchs mit Pferden auf. Mein Vater hatte welche, als ich noch sehr klein war. Eines davon, er nannte ihn "Hans", war so lieb, das mein Bruder und ich alles mit ihm anstellen konnten, ohne daß er zu einer Gefahr für uns werden konnte. Seitdem fühle ich eine unbändige Zuneigung zu Pferden in mir. Deshalb auch dieser spätere Traum: "Ein Mann und ein Pferd...". Aber es gab noch etwas, was dieses "Verkehrsmittel" favorisierte: Ich war überzeugt, daß es die erste Erdumrundung zu Pferd sein würde und hoffte auf entsprechendes Medieninteresse. Dies würde mir vielleicht Sponsoren bringen, um die teuren Ozeanüberquerungen zu finanzieren. Leider gelang das nicht und so brachte mich diese Reise an den Rand des völligen Ruins. Deshalb schufte ich jetzt wie ein Wahnsinniger, um meine verlorene Altersversorgung zurückzugewinnen und meine Pferde behalten zu können. Zu denen habe ich nun nicht mehr nur eine Zuneigung, die liebe ich unsagbar und die allein lassen mich, das für mich nunmehr sehr schwere Leben überhaupt ertragen. Mich von Panca, Puschkin und Temujin trennen zu müssen - diesen Gedanken kann ich gar nicht zu Ende denken, den schiebe ich weit von mir.

Die Weitreitergilde:

Für eine Person allein ist die Umrundung, wie ich auch aus Deinem Buch "Mit zwei Pferden um die Welt" weiß, enorm schwierig geworden, und es war ja mehrmals, daß Du den Abbruch in Betracht ziehen mußtest. Hattest Du zu Beginn auch in Betracht gezogen, die Umrundung mit einem Partner zu machen?

Manfred Schulze: 

Nein, überhaupt nicht. Erstens, weil ich schon immer ein ziemlicher Einzelgänger war und zweitens, weil ich zu diesem Zeitpunkt wirklich keine Lust auf irgendeine Partnerschaft hatte. Hinzu kommt, daß ich die Gefahren bewußt allein tragen wollte. Die Pferde würden selbst in der Wildnis überleben, das war klar. Was ich da noch nicht wußte, war, das nicht alle Menschen mit Pferden pferdegerecht umgehen. So kam es zu diesem Verzweiflungsgedanken an der mongolischen Grenze, die Pferde und mich zu töten, weil ich keinen Ausweg mehr sah - weder vor noch zurück konnte. Außerdem würde ich ja für einen Partner zusätzliche Verantwortung tragen. Weiter war mir bewußt, daß unter extremen Bedingungen und über so lange Zeit kaum eine Partnerschaft Bestand haben könnte. Es müßte schon eine bedingungslose Liebe von beiden Seiten sein, die so etwas überdauern kann.

 

Die Weitreitergilde:

In einem Interview kann man nie alle Details Deiner vierjährigen Reise beleuchten. Aber vielleicht kannst Du uns kurz Deine schönste Erfahrung und Deine größte Herausforderung erzählen?

Manfred Schulze:

Meine schönste Erfahrung war dieses unglaubliche Zusammenwachsen mit den Pferden. Dieses gegenseitige Vertrauen, daß täglich anwuchs. Als ich zum ersten Mal in der Koppel schlief (in der Mongolei wars) und meine Pferde rechts und links neben mir lagen, als ich morgens erwachte. Und z. B. in der ersten gemeinsamen Nacht im Zuni-Reservat in New Mexico, am Beginn der letzten Etappe, als Panca die halbe Nacht mit dem Kopf über mir stand, wie eine Mutterstute, die ihr schlafendes Fohlen bewacht und beschützt. Das alles ist ungemein beglückend und so ist heute natürlich noch und sicher in alle Ewigkeit diese unzerstörbare Zuneigung zu spüren, wenn ich nur in ihre Nähe komme.

Die größte Herausforderung ist weit schwieriger zu erklären. Die gesamte Reise, die ja ein wirkliches, unkalkulierbares Abenteuer war, ist es sicherlich. So viele Hindernisse gab es unterwegs. Jeden Tag irgendeine neue Schwierigkeit, von der ich nichts ahnen konnte. Das führte dazu, daß ich nach und nach regelrecht auf neue Probleme wartete. Und weil ich ja bisher alle gemeistert hatte, immer aufrechter ging und gezielt den Problemen entgegen, um sie mit Umsicht und Ruhe zu beseitigen. Es gab Zeiten, in denen ich regelrecht neugierig auf neues Ungemach wartete.

 

Die Weitreitergilde:

Wie haben Deine beiden Pferde Panca und Puschkin die Weltumrundung überstanden?

Manfred Schulze:

Ganz hervorragend. Was wohl kaum jemand für möglich gehalten hatte, heute aber jeder sehen kann. Panca und Puschkin sind wirklich glückliche Pferde und kerngesund, wie am Beginn. Sie haben keinerlei Schaden genommen. Dafür sind sie unglaublich selbstbewußt geworden. So sehr, daß Panca zum Beispiel, was sie früher nie tat, andere Pferde mit unglaublicher Vehemenz vertreibt, wenn sie Puschkin oder mir zu nahe kommen. Deshalb müssen wir nun beim Gruppenritt (wie zum Beispiel beim Sternritt nach Waldmünchen) immer ganz hinten gehen. Daß sie alles unbeschadet überstanden haben, liegt wohl nicht zuletzt daran, daß wir nichts anderes taten, was Pferde in freier Wildbahn tun, nämlich wandern. Das Tempo und die Tagesdistanzen bestimmten weitgehend die Pferde.

 

Die Weitreitergilde:

Wenn man so lange unterwegs war, dann kann ich mir vorstellen, daß die Wiedereingewöhnung zuhause nicht einfach ist. Hattest Du da Probleme?

Manfred Schulze:

Ja, und ich habe sie noch immer. Mit lauten Menschenansammlungen tue ich mich schwer. Vieles wird auch nie mehr so sein, wie es zuvor war. Die Sehnsucht, mich mit meinen Pferden irgendwo zurückziehen zu können, wo wir immer zusammen sind, wird wohl nie erlöschen. Leider suche ich wohl vergeblich hier im "engen" Deutschland nach so einer Möglichkeit.

 

Die Weitreitergilde:

Du hältst gerne Vorträge über Dein Rekordumrundung, wann kommen da  die  nächsten?

Manfred Schulze:

Im Moment sind nur Reitsport-Messen auf dem weiteren Programm. Interesse an meinem Lichtbildervortrag ist zwar viel vorhanden, doch tun sich hierfür notwendige Veranstalter schwer, die zu organisieren. Manche schrecken scheinbar auch vor meinem Honorar zurück. Dabei ist das gar nicht so hoch. Mehrere VFD-Bezirksverbände in Norddeutschland hatten den Mut, mich einzuladen  und konnten sogar dabei etwas für ihre Vereinskasse tun. Daß ich Honorar nehmen muß, dürfte doch verständlich sein. Schließlich opfere ich nicht nur meine Zeit, sondern mußte viel Geld für die Ausrüstung bezahlen. Außerdem haben das, was ich erzählen und zeigen kann, mehr Geld gekostet, als ich über Lichtbildervorträge und Bücherverkauf jemals wieder hereinholen kann. Hier muß ich einfach um Verständnis bitten. Ich habe eine eigene Homepage, und da stehen auch immer alle aktuellen Termine und viele weitere Geschichten:  www.weltumreiter.de

Die Weitreitergilde:

Wo kann man Dein Buch kaufen?

Manfred Schulze:

Ich habe es selbst verlegt, trotzdem hat es eine ISBN-Nummer. So sollte es eigentlich in jedem Buchhandel erhältlich sein. Doch ich höre immer wieder, daß es viele nicht führen, aus welchen Gründen auch immer. Einfacher ist es jedenfalls aus dem "Hufgefluester-Shop" oder bei mir selber zu bekommen. Hier sogar mit persönlicher Signierung. Allerdings kann ich verständlicherweise nur schriftliche Bestellungen bedienen. Das geht über Postkarte, Brief (Manfred Schulze, Karl-Ehrhard-Str. 1, 65366 Geisenheim), Fax (06722-5980), oder E-mail (weltreiter@t-online.de). Es kostet 22,50 EUR zzgl. 2,50 EUR Versand und wird mit Rechnung und der Bitte um Überweisung zugeschickt.

 

Die Weitreitergilde:

Du hast mir erzählt, daß Du als nächstes mit Temujin in die Mongolei zum Naadamfest willst. Für wann ist das geplant?

Manfred Schulze:

Temujin muß alt genug sein. Im Juni 2002 wird er 3 Jahre. Also in zweieinhalb bis drei Jahren. Reisezeit etwa 15 Monate. Dieses Fest ist immer Anfang Juli. Diesmal will ich südlicher gehen, also eventuell auf der Seidenstraße oder den Spuren Marco Polo's. Start also etwa Anfang 2006 und Teilnahme am Naadamfest 2007. Und ich hoffe, daß es diesmal mehr Medieninteresse geben wird. Ja, ich träume schon wieder :"Die Heimkehr des Dschingis Khan". Dort bleiben soll Temujin allerdings nicht, nur seine Wurzeln besuchen und vielleicht seinen Vater kennenlernen.

 

Die Weitreitergilde:

Wir wünschen Dir Alles Gute für Deine Vorträge und Deine weiteren Pläne! Vielen Dank für das Interview!

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