Saskia Machaczek direkt aus Lateinamerika

Momo wird ernstlich verletzt! 

(dk) Hier ihr email an uns vom 9.April 2002, viel Spaß beim Lesen!

Hola chicos,

ja irgendwie sollte die Zeit, die ich bei Tierärzten verbracht habe wohl auch von Nutzen sein... und schliesslich sollte ich die Reiseapotheke nicht umsonst mitschleppen... aber von vorne!

Wir sind also von der Estancia El Desafío am 3.4. weitergereist. Wir hatten gehofft einen Gaucho im Puesto unterwegs zu finden, damit er uns das Tor fuer eine nette Abkuerzung aufschliessen konnte. Aber dort war kein Mensch, nur bellende, knurrende Köter und ein magerer Klepper, der ängstlich die Ohren anlegte. Also mussten wir die ganze Runde um den Flughafen von Bariloche rum auf uns nehmen. Unsere Stimmung war ätzend, einfach doof so am Zaun um einen Flughafen herumzureiten, nicht mal richtig traben konnte man, weil der Weg so steinig war. Die Asphaltstrasse schien endlos, wenn wir nahe der Strasse reiten mussten, machte Repollito immer einen riesen Satz, wenn Laster vorbeisausten und Luna sprang hinterher. Dann hielt uns noch ein gelangweilter Bulle an, aber den konnte ich schnell abschuetteln.

Endlich kamen wir zum Rio Limay, der die Provinz Rio Negro mit Neuquen trennt. Obwohl dort eine Polizeikontrolle ist, sausen die Laster wie verrueckt dort laengs. Wir gingen ganz dreist in der Mitte der Strasse, damit die Fahrer uns von weiten sehen und zum Glueck fuhr ein vernuenftiger Autofahrer in sittlichem Abstand hinter uns und hielt uns so den Ruecken frei. Die Polizisten wollten erneut wissen, wohin wir wollten, aber da wir bloss zur Familie Jones wollten, die ihr Haus direkt hinter der Kontrollstation hatten, liessen sie uns weiterziehen. Wir banden die Pferde vor dem imposanten, alten Holzhaus der Familie Jones an. Butch Cassidy soll hier untergekommen sein, als es vor Jahren mal eine Herberge war. Das älteste Haus Bariloches. Carol Jones hatte uns angeboten hier Halt zu machen, aber noch nicht mal ein kläffender Köter empfing uns. Als erstes befreiten wir Luna von ihrer Last, noch immer keine Menschenseele. Da wir totmüde waren, sattelten wir ab, ohne fragen zu können und warteten.

Später kam Martin Jones, der jüngste der Söhne (mitte 30) und erlaubte uns, in der Scheune zu schlafen. Da die Koppel nicht gut eingezäunt war, banden wir die Pferde im Vorgarten an, wo saftiges Gras wuchs. Ich joggte noch zum Puesto auf dem Weg vom folgenden Tag, damit wir sicher waren, dass sie uns morgens das Tor aufschlossen. Dieser Weg sollte und 20km Asphalt gegen 20km Sandpfad eintauschen. Da wir tod waren und keinen Nerf mehr hatten, Feuer zu machen, gingen wir in das kleine Restaurant an der Brücke. "Man gönnt sich ja sonst nichts." Am Ende des leckeren Abendbrotes wurden wir sogar noch eingeladen von einem, der seinen Junggesellenabschied feierte. Glück  muss man haben!

Wir schliefen gut in der grossen Scheune und entdeckten am nächsten Morgen mit Schrecken, als wir die Pferde holten, das Momo böse humpelte. Ein tiefer Schnitt am Hinterfuss. Der Schnitt war zu dünn für unser Seil, also wohl ein Stück Draht, aber verdammt tief. Während Luna ruhig bleibt, wenn ihr Fuss gefangen ist, gerät Momo in Panik und oft wird die Situation schlimmer. Sie trat nur mit der Spitze auf und hatte sichtlich Schmerzen. Runter zum Bach, um die Wunde zu waschen und zu desinfizieren. Ein Gaucho, der vorbeikam meinte in solchem Fall lässt er das Pferd 2 Monate frei und nimmt ein anderes. Ein Tierazt sagte, das bräuchte sicher 2 Monate und wusste auch nicht mehr. Aber in 2 Monaten ist hier Winter und Kaja schon in Hamburg! Ich kramte in der Apotheke und holte Histabiosone (Antibiotikum) raus, 5 Tage lange jeden Tag eine Spritze. Kühlen, Waschen, Desinfizieren, mehr konnten wir nicht machen. War die Sehne eingeschnitten?

Ein Indianer, der als Ober im Restaurant arbeitete, riet uns Salzwickel zu machen, ein anderer Motoröl draufzuschmieren. Der eine sagte, nach einer Woche sei sie wieder okay, ein anderer glaubte an 1-2 Monate. Wir machten uns auf die Suche nach einem anderen Pferd und uns wurde bewusst, was fuer tolle Pferde wir haben und zu super Preisen. Immer noch in der Hoffnung, es könnte Momo besser gehen, suchten wir dennoch weiter. Einige waren sogar bereit zu tauschen, ohne Momo zu sehen, so sehr schwärmte ich von ihr und das war nicht nur Verkäufertalent, es kam echt vom Herzen. Aber ich will sie nicht gerne irgendeinem geben, denn ich hänge doch verdammt an der kleinen Hexe!

So verbrachten wir also einige Tage an der Brücke vom Limay, etwa 20km von Bariloche. Als es heftig regnete, erwies sich das Scheunendach als undicht und die grossen Holztore klapperten die ganze Nacht, ganz zu schweigen von der Katze, die sich über unsere Mülltüte hermachte. Ein Nachbar bot uns an, in seinem unbenutzten Campingwagen zu schlafen, also zogen wir um und verabschiedeten uns von den Jones. Martin hatte uns noch Heu besorgt und Edith (die Mutter) bei der Pferdesuche geholfen. Die Pferde hatten wir inzwischen auf eine riesige Koppel entlassen, da Momo schon weniger humpelte. Auch die Polizisten waren zu Kumpels geworden, wir konnten bei ihnen duschen und sie luden uns sogar zum Hirschessen ein! Wenn wir nach Bariloche wollen, oder wie heute, wo ich nach Chile musste, um mein Visum zu verlängern, halten sie uns einfach ein Auto an, und fragen, ob sie uns mitnehmen! Auch im kleinen Restaurant verwöhnen sie uns und wir trinken zusammen Maté in der Küche. Der nette Campingwagennachbar, war heute morgen sehr genervt, weil er geschnallt hatte, dass wir mit Momo weiterziehen, denn es geht ihr besser, sie humpelt nicht mehr. Er hatte wohl gehofft, dass wir sie dortlassen, wenn wir ein neues Pferd kaufen.

Morgen wollen wir also weiterziehen. Notfalls muessen wir uns am Anfang abwechseln auf Repollito und laufen, kann uns auch nicht schlecht bekommen. Es ist verdammt kalt geworden, auf den Bergen hat es geschneit und heute Morgen war alles weiss gefroren. Tau stieg vom Fluss auf und ich fror mir die Füsse ab, als ich auf ein Auto nach Chile wartete. Drei liebe Engländer, die seit 20 Jahren in Chile wohnen nahmen mich mit und liessen mich 300m nach der Grenze in Chile raus. Ich ging zu Fuss zurück zum Grenzposten, um das Land wieder zu verlassen und eine Chilenische Familie nahm mich mit zurück nach Argentinien, um den ersehnten 3 Monate-Stempel zu erhalten. Morgen geht es also weiter, am Fluss Limay entlang bis zur Fähre, die uns über den Fluss bringt. Dann noch eine Tagesetappe und wir sind im Park Lanin (nicht Junin, wie ich irrtümlicherweise im letzten Mail geschrieben habe).

Die Stimmung ist wieder besser, sowas gehört halt auch dazu und es musste nun auch gerade an einer ungünstigen Stelle passieren, wo die Unterkunft fuer Pferde und Menschen nicht optimal war. Drückt die Daumen, dass der Winter noch auf sich warten lässt und wir noch ein paar schöne Herbstwochen geniessen können!

Viele liebe Grüsse,

sasi